Kooperation und New-Work:
Wie könnte ein Jahresabschluss 2020 ohne Corona auskommen? Bei allem Corona-Frust möchten wir das Jahr mit einer positiven Note abschließen und uns auf die Potentiale konzentrieren, die die Pandemie aufgedeckt hat. Wie in jedem Jahr gibt uns Digitalpionier Janus Boye zu den Trends des kommenden Jahres ein Interview – natürlich maßgeblich beeinflusst von COVID.
Zur Person: Seit über zwanzig Jahren arbeitet der gebürtige Däne Janus Boye an der Schnittstelle von Networking, Innovation und digitaler Führung. Mit den internationalen Events seines Netzwerks Boye & Co schafft er einen Raum, in dem Führungskräfte Innovationen teilen, diskutieren und sich darüber austauschen können.
Janus, zwei deiner Schwerpunktthemen sind die digitale Arbeitswelt und New-Work. Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Welche Beobachtungen hast du dazu dieses Jahr gemacht?
Was für ein seltsames und surreales Jahr! Wir haben plötzliche Veränderungen erlebt wie nie zuvor. Wir haben von zu Hause aus gearbeitet wie nie zuvor. Wir haben auch die Einschränkungen von Remote-Work gesehen, den Stress langer Zoom-Tage und wie wir unsere alte 9 bis 5 Uhr-Routine im Home-Office nicht einfach beibehalten können. Oder vielleicht doch? Das neue Normal ist in diversen Unternehmen auf der ganzen Welt eben noch nicht wirklich normal geworden. Und wie sieht überhaupt die neue Normalität aus, nach der wir streben wollen?
© Boye & Co.
Janus Boye von Boye & Co mit Mund-Nasen-Schutz
Der Umgang mit COVID-19 zusätzlich zu den ohnehin bestehenden täglichen Herausforderungen war für die meisten von uns überwältigend. Was große Veränderungen betrifft, gehe ich mit Bill Gates, der einmal sagte: Wir überschätzen auf kurzfristige Sicht tendenziell ihre Auswirkungen und unterschätzen sie auf lange Sicht.
Unter den Mitgliedern unseres Netzwerks in Europa und Nordamerika habe ich viele verschiedene Denkweisen gesehen, wenn es um New-Work und die Gestaltung des zukünftigen Arbeitsplatzes geht. Was ich von vielen gehört habe, ist, dass sie die persönlichen Interaktionen sehr vermissen – sie machen uns schließlich menschlich!
Wie schätzt du den Virtual-First-Ansatz mancher Unternehmen ein, die auch nach Corona auf vom Unternehmen gestellte physische Arbeitsräume verzichten möchten?
Es ist sehr interessant zu sehen, wie Unternehmen Remote-Work auf die nächste Ebene heben. Wie kombinieren wir das Beste aus beiden Welten, das Alte und das Neue? Natürlich ist es ziemlich anstrengend, den ganzen Tag lang Zoom-Anrufe zu führen. Gesellschaftliche Ereignisse über Videotelefonate zu begehen ist auch alles andere als ideal.
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Screenshot der Remote-Weihnachtsfeier 2020 von byte5
Viele Unternehmen überlegen jetzt, ob sie noch so viel Bürofläche benötigen. Einige haben sogar ihre Mietverträge gekündigt. Dieser Trend wird sich wahrscheinlich fortsetzen, aber ich sehe immer noch die Notwendigkeit lokaler und inspirierender Orte, an denen man sich persönlich treffen kann. Das können kleineren Büros sein, Co-Working-Spaces, Museen oder ganz andere Orte – überall dort, wo Mitarbeiter zusammenkommen, gemeinsam arbeiten und mit ihren Kollegen interagieren können.
Was in der Diskussion oft vergessen wird, sind die vielen Personen, die schlicht und ergreifend nicht von zu Hause aus arbeiten können: die Lehrkraft, der LKW-Fahrer, die Pflegekraft. Was ist die neue Normalität für sie und wie stellen wir sicher, dass auch ihr Arbeitsplatz von morgen verbessert wird? Es ist klar, dass die digitale Welt mit Einschränkungen verbunden ist – insbesondere, wenn es darum geht, eine gemeinsame Kultur und ein Wir-Gefühl zu schaffen.
Wie kann Kooperation 2021 aussehen, wenn immer noch viele Mitarbeiter alleine im Home-Office sitzen?
© Boye & Co.
Janus Boye von Boye & Co.
Zusammenarbeit ist der Schlüssel und wir haben in diesem Jahr einige wirklich interessante Erfahrungen und Experimente in Sachen Remote-Work gesehen. Wir müssen uns fragen: Was ist die richtige Mischung aus Videokonferenzen und persönlichen Besprechungen?
Kollaboration kann nur wahrhaftig funktionieren, wenn sie auf Vertrauen und authentischen Beziehungen fußt. Das erfordert ein nicht unerhebliches Zeitinvestment. Wann treffen wir uns persönlich, wann nutzen wir die digitale Kommunikation? Aufgrund der Pandemie mussten sich viele ausschließlich auf digitale Tools wie Zoom verlassen und obwohl wir viel Positives gesehen haben, sind auch die Unzulänglichkeiten solcher Tools offensichtlich geworden.
Ein Trend bei einigen unserer Mitglieder besteht darin, die Routinen von vor Corona – wie tägliche Stand-ups, Rückblicke und ähnliches – so zu modifizieren, dass sie zu einer Situation passen, in der viele im Home-Office sitzen. Einige versuchen, die Arbeit weniger linear zu gestalten und die Pandemie zu nutzen, um die Meeting-Kultur als Ganzes zu verbessern.
Dennoch: Dies sind die frühen Tage. Die Tage nicht enden wollender Eilmeldungen, die Tage verschiedener Formen des Lockdowns – das sind alles andere als ideale Verhältnisse für Kollaboration. Es sind auch die frühen Tage, in Bezug darauf, die massiven Veränderungen überhaupt vollständig zu begreifen. Sobald sich die Situation maßgeblich entschärft, werden wir sehen müssen, welche Trends in puncto Zusammenarbeit wirklich Bestand haben oder neu aufkommen.
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Arbeiten in Zeiten von Corona
Wie lässt sich mit zunehmender Remote-Work die Unternehmenskultur erfolgreich erhalten? Welche neuen Formate gibt es, um das Wir-Gefühl zu schützen und stärken?
Tatsächlich setzen einige Organisationen wie Automattic (das Unternehmen hinter Wordpress), Elastic und andere seit mehreren Jahren vollständig auf Remote-Work. Der Hauptunterschied besteht bei ihnen darin, dass sie sich vor Corona bei Bedarf treffen oder zumindest ihre regulären Gipfeltreffen durchführen konnten. Die Reisebeschränkungen dieses Jahres haben solche Treffen unmöglich gemacht und auch diese Unternehmenskulturen klar herausgefordert.
Unternehmenskultur ist niemals etwas Statisches. Als Menschen passen wir uns an, wir beobachten den Chef, wir navigieren, um unser Bestes zu geben. Im Jahr 2020 hatten wir viele Gespräche über den Umgang mit erhöhtem Druck, neu gewonnener Flexibilität, einer nie dagewesenen Form von Auslastung. All das wirkt sich auf die Unternehmenskultur aus.
Ein allgemeiner Trend bei den Mitgliedern unseres Netzwerks ist der verstärkte Fokus auf Kommunikation, insbesondere interne Kommunikation und damit auch auf ein internes Community-Management. Meine Beobachtung ist, dass Unternehmen jetzt viel eher bereit sind, im Namen ihrer Mitarbeiter in das Home-Office zu investieren und vermehrt Zeit zu investieren, um das Gefühl von Teamgeist und Zusammengehörigkeit zu stärken.
Ich habe auch einige innovative und sogar unterhaltsame Formate gesehen, bei denen interne Meetings mit Nachrichten berühmter Schauspieler oder anderer Stars aufgepeppt wurden. Es ist immer möglich, mit kleinen Dingen etwas zu bewirken – und das sind jene Details, die eine Unternehmenskultur prägen.
Lieber Janus, mange tak für die interessanten Einschätzungen und bleib gesund!
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