Einst Nische, heute mittendrin:
Vor gar nicht allzu langer Zeit, Ende der 1990er Jahre, war die Antwort auf das Stichwort Open-Source noch ein irritiertes Kopfkratzen oder allenfalls ein müdes Lächeln. Zu Beginn der 2000er Jahre dann etablierten sich die ersten Open-Source-Softwares. Doch eilte ihnen ein schlechter Ruf voraus: fehlende Sicherheit, kein verlässlicher Service und eine ungewisse Zukunft, hieß es. Und heute? Heute werden proprietäre und Open-Source-Software in einem Atemzug genannt; viele marktführende Programme sind quelloffen und bieten Usern den gleichen Komfort wie kostenpflichtige Alternativen – wenn nicht einen höheren.
Das Jahr 2011 war für die Open-Source-Community ein ganz besonderes: Es war das erste Jahr, in dem die finanziellen Vorzüge von Open-Source nicht der Hauptgrund dafür waren, diese Variante proprietärer Software vorzuziehen. Das war einmal ganz anders gewesen. Als im Open-Source-Mittelalter Ende der 1990er-Jahre quelloffene Programme Fuß zu fassen begannen, waren die Skepsis – und wohl auch die Sorgen seitens der konkurrierenden Vertreter kommerzieller Software – groß. Was würde es bedeuten, wenn ein System von jedem nach Belieben verändert werden könnte?
Einer der damals größten Kritiker: Software-Riese Microsoft. Das Unternehmen war nie scheu, seine Abneigung gegenüber Open-Source-Projekten – speziell solchen mit kommerziellem Erfolg – offenkundig zu machen. Man äußerte sich seinerzeit negativ über die als risikoträchtig bezeichnete Sicherheit quelloffener Systeme; Open-Source sei außerdem nicht fähig, einen Massenmarkt für sich zu etablieren. Das Gegenteil ist tatsächlich eingetreten.
Open-Source-Verfechter der ersten Stunde erinnern sich nur zu gut an diese schweren Anfänge, an die Vorwürfe und Zweifel der Außenwelt, mit denen sie zu kämpfen hatten. Eins dieser anfänglichen Probleme war die mangelnde Akzeptanz ihrer Programme, die auch der vergleichsweise geringen Anzahl von Open-Source-Projekten geschuldet war. Weitere Umstände bereiteten die Unwägbarkeiten, die solch neuartige Projekte immer mit sich bringen. Auch Umbraco ist eines dieser Programme, das sich zu Beginn der 2000er entwickelte. Umbraco-Gründer Niels Hartvig sind diese Tage noch sehr präsent: „Für viele [potenzielle Nutzer] standen Sorgen wie ‚Was ist, wenn es einen Bug gibt?‘, ‚Dann kann ich niemanden anrufen‘ im Weg zur Bewertung der Software selbst.“ Diese Vorbehalte waren Steine im Weg zu einer etablierten Open-Source-Kultur. Ein Weg, der sich nicht mal zwei Dekaden später als überaus erfolgreich entpuppen würde.
Doch was ist dran an den Sorgen von damals? Falls sie seinerzeit begründet waren – heutzutage sind sie es sicherlich nicht mehr. Die größte von ihnen war gewiss die Sicherheit. Würde sich bei Problemen jemand zuständig fühlen? Konnte darauf vertraut werden, dass Sicherheitslücken und Bugs innerhalb kürzester Zeit erkannt und gefixt werden? Heute können diese schwierigen Fragen mit einem ganz eindeutigen Ja beantwortet werden. Das einstige vermeintliche Wagnis – was, wenn keiner Verantwortung übernimmt? – erweist sich heute also große Stärke von Open-Source. Dank der immer wachsenden und sehr aktiven Communitys werden Sicherheitslücken in aller Regel gefunden, bevor ein Hacker sie sich zu Nutze machen kann. Somit können Open-Source-Communitys viel schneller und flexibler agieren als die Entwickler proprietärer Software.
Viel Zeit hatten Open-Source-Urgesteine nicht, sich den schnellen Entwicklungen ihrer quelloffenen Systeme anzupassen. Open-Source ist inzwischen in der Mitte der Online-Gesellschaft angekommen. Das bedeutet rapide steigende Aufgaben für Entwickler und somit eine wachsende Verantwortung. Ein Thema, dem sich Niels Hartvig in seinem jüngsten, sehr lesenswerten Umbraco-Blogpost widmet. Wer mehr über Umbracos Anfänge und die Gründe für seinen Erfolg lesen möchte, dem sei dieser Beitrag ans Herz gelegt.
Die virtuelle Landschaft von heute ist gespickt von Open-Source-Software, die sich durch massenweise Vorteile auszeichnet. Die mögen beim Kosten-Argument anfangen, zeigen sich aber auch in vielen anderen Bereichen, beispielsweise in der schon erwähnten Community-Arbeit. Sie ist es, die durch ihr oft ehrenamtliches Engagement die Qualität der Software sichert. So gewährleistet die Community eine Beständigkeit ihrer Software, die bei Programmen kommerziell erfolgloser Unternehmen eher gefährdet ist. Naturgemäß sind Open-Source-Programme außerdem transparent. Der Hauptvorteil von Open-Source liegt in seiner Flexibilität. Im Gegensatz zu proprietärer Software sind Open-Source-Nutzer nicht auf ein einzelnes Produkt oder Produktset festgelegt, das mit fremder Software nur selten kompatibel ist. Open-Source-Systeme weisen in der Regel nicht nur eine hohe Interoperabilität auf, sondern sind auch unabhängig von geschäftlichen Entscheidungen und bestechen durch ihre Individualisierungsmöglichkeiten. Letztere ermöglichen die Modifizierung und Erweiterung des bestehenden Programms den individuellen Wünschen folgend. Immer häufiger gibt es heutzutage auch Hybrid-Modelle – Software, die Open-Source und proprietäre Züge miteinander vereint. Die Frage ist nicht mehr, ob Open-Source oder proprietär. Heute steht das Interesse im Zentrum, gemeinsam die Möglichkeiten der Zukunft zu entdecken.
Wie wichtig Interoperabilität heutzutage ist, hat auch Ex-Rivale Microsoft erkannt und bewiesen, dass eine Kehrtwende durch gute Argumente mehr als möglich ist. Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen arbeiten häufig nicht mehr nur mit einem System. Die User wünschen sich eine Arbeitsweise, die von Individualität bestimmt ist. Sie möchten ihre vielen verschiedenen Programme parallel und reibungslos nutzen können – unabhängig vom Betriebssystem. Diese Erkenntnis spiegelt sich in der Kampagne Microsoft loves Linux wider: Microsofts Antwort auf die immer heterogener werdende Software-Welt. Die Vereinbarkeit dieser beider Systeme zeigt sich unter anderem in der Integration von Linux-Systemen als Windows-App. Microsofts Präsenz auf GitHub ist wohl der letzte Beweis dafür, dass sich die Zeiten gewandelt haben. In den vergangenen Jahren wurden unter dem aktuellen Microsoft-Chef Satya Nadella neue Wege eingeschlagen; der Wegweiser steht auf Open-Source.
Und die Sterne für Microsofts quelloffene Zukunft stehen gut: 2016 hatte das Unternehmen auf GitHub die meisten Open-Source-Entwickler überhaupt, mehr noch als Facebook und Google. Auch Microsofts Visual Studio belegt einen der vordersten Plätze und ist mit mehr als 2 Millionen Installationen überaus erfolgreich. Ein reger Austausch von Entwicklern proprietärer und Open-Source-Software ist also absolut zeitgemäß – und hat auch für Unternehmen wie Microsoft immense Vorteile. Damit, dass in absehbarer Zeit Office oder Windows Open-Source werden, ist zwar nicht zu rechnen. Microsofts neuer Kurs kommt dennoch sichtlich gut an. Wir sind gespannt, wohin es als nächstes geht.
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